„Halt! So geht es nicht weiter!“ – Bürgermeisterkreisversammlung und Hessischer Städte- und Gemeindebund (HSGB) senden eindringlichen Appell an Bund und Land

(ms/ea) – Mit einem eindringlichen Appell an Bund und Land auf dringende Entlastung der Kommunen wenden sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Main-Kinzig-Kreises gemeinsam mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund an die Öffentlichkeit und betonen, dass die Leistungsrenze der Kommunen überschritten sei.

Die Initiative „Halt! So geht es nicht weiter!“ gleicht quasi einem Hilferuf angesichts der Tatsache, dass durch fremdbestimmte Aufgaben Personal und finanzielle Mittel der Kommunen gebunden und zusätzlich diese Aufgaben durch die Gesetzgebung von Bund und Land zur Pflicht erhoben werden. Darüber informierte die Bürgermeisterkreisversammlung und der HSGB am Freitag im Bruchköbeler Stadthaus in einer Pressekonferenz.

Der Vorsitzende der Bürgermeisterkreisversammlung, Stefan Erb, betonte zu Beginn der Konferenz, dass diese keine parteipolitische Veranstaltung sei, sondern dass über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bestehe, dass es so nicht weiter gehen könne.

Johannes Heger vom HSGB betonte, dass die Leistungsgrenzen der Kommunen überschritten sei. Notwendig seien zum einen die Priorisierung der ständig wachsenden Aufgaben, da die Ressourcen sowohl im Personalbereich als bei den Finanzmitteln begrenzt seien. Zum anderen sei dringend ein Abbau der überbordenden Bürokratie notwendig.

Insgesamt führe dies dazu, dass die Kommunen ihre eigenen Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen können und die Handlungsspielräume stark verengt würden.

Die vom Gesetzgeber geweckten Erwartungen bei den Bürgern könnten so nicht immer umgesetzt werden. Als ein Beispiel von vielen nannte er dabei den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung im Grundschulalter und die erhöhten Mindest-Personalforderungen für den Betrieb von Kitas, die laut Heger ein „ambitioniertes Unterfangen“ sei und nicht alle Kommunen stemmen könnten.

Die Unterbringung von Flüchtlingen und zu erstellende kommunale Wärmeplanungen sind weitere Themen, die die Kommunen vor enorme Herausforderungen stellen. Hinzu komme ein immer stärkeres Misstrauen von Behörden gegenüber den Kommunen. So berichtete der Bürgermeister von Ronneburg, Andreas Hofmann, von einem Projekt, bei dem das Land Hessen für die Kommune Geräte für öffentliches WLAN beschafft hat. Ronneburg müsse nun für jedes einzelne Gerät einen umfangreichen Bericht anfertigen. „Man vertraut uns nicht mehr und erweckt den Eindruck, wir würden das Zeug illegal verkaufen“, so Hofmann.

Auch Bürgermeister Stefan Erb berichtet von einem zunehmenden Misstrauen der Behörden gegenüber den Kommunen: „Früher gab es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, heute wird der drohende Zeigefinger erhoben“. Dazu berichtete er von der Beschaffung eines Bauwagens für die Naturkita in Erlensee: Nach Einholen mehrerer Angebote habe sich der Magistrat dazu entschieden, dem teuersten Angebot den Zuschlag zu erteilen, und zwar deswegen, weil dieser angebotene Wagen der einzige gewesen sei, der zu den Anforderungen passte. Dies sei auch ausführlich begründet worden. Dennoch könne es dazu führen, dass Erlensee der Zuschuss hierzu verweigert werde. Mittlerweile seien Mitarbeiter der Stadtverwaltung verängstigt, die immer umfangreicher zu begründenden Förderantrage zu bearbeiten, denn ein falsch gesetztes Häkchen könne schnell dazu führen, dass der Antrag abgelehnt werde.

Fabian Fehl, Bürgermeister der Gemeinde Birstein, beschrieb eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Neue Vorgaben erweckten Erwartungen bei Bürgern, die allerdings nicht umsetzbar seien und dementsprechend für Frust bei den Bürgern sorge. Die Infrastruktur, ob Kanalisation, Bürgerhäuser, Feuerwehrhäuser, Straßen, müsse saniert werden, da diese vor 30 bis 50 Jahren errichtet wurde. Gleichzeitig sollen Kindergärten ausgebaut, Flüchtlinge untergenbracht und die Wärmewende vollzogen werden: „Das kann so nicht funktionieren!“, so Fehl.

Auch der Wächtersbacher Bürgermeister, Andreas Weiher, äußerte sich sehr skeptisch, dass die Vorgaben des Heizungsgesetzes umsetzbar seien. Es fehle ganz einfach das dafür nötige Personal, sowohl bei der Verwaltung als auch bei Fachbüros.

Mit der gemeinsamen Einrichtung eines Vergabe-Kompetenzzentrums wollen sich die Kommunen in Zukunft „etwas Luft verschaffen“, indem mit einem einheitlichen Vertragsmanagement Personal und Kosten durch einen geringeren Verwaltungsaufwand eingespart werden können. Dies sei jedoch „keine Antwort auf alles“, sondern eher „vorausschauende Notwehr“.

Johannes Heger betonte noch einmal die Dringlichkeit, Lösungen zu finden. Daher müsse dieses Thema auf die Agenda der Koalitionsverhandlungen für die nächste Landesregierung, egal wie diese aussehe.

Dass es bis dahin nicht rosig aussieht, wurde deutlich, dass es Kommunen nicht einmal mehr schaffen, ihre Pflichtaufgaben zu finanzieren, selbst wenn man alle freiwilligen Leistungen streichen würde.

Bürgermeister Stefan Erb informierte, dass Erlensee im nächsten Jahr voraussichtlich keinen ausgeglichenen Haushalt haben werde und zählte nur drei von der Stadt nicht zu vertretende Positionen auf, die den Haushalt wiederum von einem auf das andere Jahr um mehr als 3,5 Mio Euro belasten werde.

Dr. Albrecht Eitz, Bürgermeister von Freigericht, brachte es schließlich auf den Punkt: Das Land müsse die Kommunen endlich als gleichberechtigte Partner und nicht als Bittsteller ansehen. Diese bisher gezeigte Haltung des Landes gegenüber den Kommunen müsse sich endlich ändern.

Auf dem Foto: Bürgermeister und Vorsitzender der Bürgermeisterkreisversammlung, Stefan Erb (Bildmitte) und Johannes Heger (HSGB) (2.v.l.) mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern des Main-Kinzig-Kreises

Bericht und Fotos: Markus Sommerfeld

 

 

 

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