Notruf absetzen, ohne zu sprechen: Nora-App ermöglicht Notrufe für Gehörlose oder in Gefahrensituationen

(pm/ea) – Ein Mann geht alleine im Wald spazieren. Plötzlich wird ihm schwindelig, er fühlt Druck auf der Brust, kalter Schweiß bricht ihm aus. Ein Herzinfarkt. Er zückt sein Handy, doch er merkt, Sprechen ist ihm nicht mehr möglich. Seine Rettung: die Notruf-App Nora.

Mit ihr erreicht man Einsatzstellen in ganz Deutschland, und zwar wahlweise Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst. Der Mann öffnet die App, das Handy zeigt bereits seinen Standort an. Er bestätigt diesen und wählt auf die Frage „Was ist passiert?“ unter den Antwortmöglichkeiten „Erkrankung/Verletzung/Sturz“ aus. Die App generiert passend zur Auswahl drei Nachfragen, dann kann der Mann auf „Notruf senden“ drücken. Das Ganze dauert keine 30 Sekunden. Ein Disponent der Leitstelle des Main-Kinzig-Kreises empfängt den Notruf auf dem PC. Per Chat stellt er eine Nachfrage, aber der Mann ist bereits nicht mehr in der Lage zu reagieren. Die Informationen reichen jedoch schon: Der Disponent überträgt die Standortkoordinaten in das Einsatzleitsystem „Cobra“ und alarmiert damit den Rettungsdienst. Die Notfallsanitäter fahren zum Einsatzort, versorgen den Mann notfallmedizinisch und bringen ihn ins Krankenhaus. Er überlebt.

Dieses Beispiel zeigt den Umgang mit der Nora-App, ein offizielles Notruf-System der deutschen Bundesländer. Sie ist seit Ende 2021 verfügbar und auch im Main-Kinzig-Kreis gehen vereinzelt Notrufe über die App ein. „Nora“ wurde insbesondere für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung oder Stotternde entwickelt. Auslöser war im Jahr 2007 der Beitritt Deutschlands zur UN-Behindertenrechtskonvention. Damit verpflichtete sich die Bundesrepublik, gesundheitlich eingeschränkten Menschen einen sogenannten „barrierefreien Zugang“ zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. In den ersten elf Monaten nach der Einführung wurden in Deutschland mehr als 10.000 Notrufe über die Nora-App abgesetzt. „Und ausgerechnet in der Einführungswoche gab es zufällig eine bundesweite Störung der Notrufnummern 110 und 112, was zu einem noch größeren Download-Anstieg führte“, berichtet Günther Seitz, Leiter der Abteilung Gefahrenabwehr im Amt für Gesundheit und Gefahrenabwehr.

„Die App eignet sich auch in anderen Notfällen, beispielsweise bei einem Amoklauf oder Gefahrensituationen, in denen man vom Täter nicht gehört werden möchte“, erklärt Reiner Kaul, Leiter des Sachgebiets „Zentrale Leitstelle“. Dies kann der Fall sein bei einer beobachteten Prügelei oder einem Banküberfall. Handelt es sich um eine Bedrohungssituation, klickt man in der App einen „stillen Notruf“ an. „Dann wird die Leitstelle zur Kommunikation nur das Chatfenster nutzen, nicht anrufen und keine Benachrichtigungen ans Handy senden, um Benachrichtigungstöne zu vermeiden“, betont Kaul.

Um „Nora“ nutzen zu können, lädt man sie im Google Play Store (Android-Geräte) oder Apple App Store (Mobiltelefon mit iOS) herunter und gibt seinen Namen und Telefonnummer ein. Alle anderen Angaben sind freiwillig. Wählt man aus, dass man in der Lage ist, am Telefon zu kommunizieren, wird die Leitstelle bei wichtigen Fragen eventuell anrufen. Man kann eine generelle Standort-Ermittlung erlauben oder erst beim Notruf erteilen. Optional sind weitere persönliche Angaben möglich, die erst einmal lokal auf dem Mobilgerät gespeichert und nur im Notfall versandt werden: Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, eine chronische Infektionskrankheit, Behinderungen und Angaben, wo man einen Haustürschlüssel hinterlegt hat oder ob ein Hund in der Wohnung ist.

„Diese Informationen erlauben es den Rettungskräften, sich besser auf den Einsatz einzustellen“, erläutert Reiner Kaul. Möchte man weitere Informationen übermitteln, ist das nach dem Absetzen des Notrufs im Chat möglich. Die App stellt auch einen Demo-Modus zur Verfügung (Menü: Notruf-Demo), damit man sich mit dem Ablauf eines Notrufs vertraut machen und den Prozess von Anfang bis Ende durchspielen kann.

Trotz all dieser Vorteile ist es nicht notwendig, dass die breite Bevölkerung für einen Notruf vom Telefon auf die Nora-App umsteigt. „Die gesprochene Kommunikation funktioniert meist schneller und ist für alle empfehlenswert, die in der Lage sind, sich am Telefon auszudrücken“, so Kaul. Doch für bestimmte Personengruppen und Notfallsituationen sei die App eine sinnvolle Ergänzung. „Sie ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt im Digitalisierungsprozess des Gesundheitswesens“, sagt Dr. Wolfgang Lenz, Leiter des Amts für Gesundheit und Gefahrenabwehr. Insbesondere die Standort-Übersendung des Hilferufenden sei eine wichtige Erleichterung, denn dadurch erübrigten sich Fragen nach der genauen Adresse meist. „Insbesondere, wenn man sich in einer Gegend nicht gut auskennt spart das im Notfall wertvolle Zeit“, so Dr. Lenz.

Weitere Informationen mit Anleitungen und Demo-Videos gibt es unter www.nora-notruf.de.

Auf dem Foto: Leitstellendisponent Daniel Bogojevic gehört zu den 32 Personen der Leitstelle des Main-Kinzig-Kreises, die für die Annahme von Notrufen ausgebildet sind. Seit Ende 2021 sind Notrufe auch per App möglich

Foto: PM

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