„Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Landwirtschaft“: Erlensee Aktuell hat bei Ortslandwirtin Anke Eyrich nachgefragt

(ms/ea) – Leere Regale, wo sonst Mehl und Sonnenblumenöl im Supermarkt stehen, sowie Meldungen über Versorgungsengpässe verunsichern die Menschen. Über mögliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft hat Erlensee Aktuell mit der Erlenseer Ortslandwirtin Anke Eyrich gesprochen.

Weisen die leeren Regale beim Mehl auf einen Versorgungsengpass bei Weizen hin?

Bei Weizen gibt es derzeit keinen Engpass, Deutschland ist hier sogar überversorgt, so dass Weizen auch exportiert wird. Von der Getreideanbaufläche nimmt Weizen den größten Teil ein. Zudem gab es 2021 eine gute Ernte. Die leeren Regale entstehen durch Hamsterkäufe. Viele Menschen haben Angst vor Knappheit und kaufen eben mehr Mehl ein. Wenn jeder statt einem zwei Pakete einkauft, sind das 100 % mehr Nachfrage, da kommt die Lieferkette aus dem Gleichgewicht.

Kritisch zu sehen sind zukünftige Ernten. Dünger ist knapp und bis zu dreimal teurer als in normalen Jahren. Außerdem darf in manchen Gebieten nur noch wenig gedüngt werden, 20% weniger als die Pflanze benötigt. Das führt dort natürlich zu geringeren Erntemengen mit schlechterer Qualität, sodass vom Qualitätsweizen künftig in Deutschland weniger verfügbar sein wird.

Momentan steigt aufgrund der Exportausfälle aus der Ukraine der Preis für Weizen, da weniger auf dem Weltmarkt vorhanden ist. Hier kommt es dann zu Verschiebungen der Marktströme. Die Leidtragenden sind hier besonders die ärmeren Länder in Afrika.

Importiert werden müssen beispielsweise Mais und Ölsaaten, darunter Sonnenblumenkerne und Raps.

Ungefähr 40 % der Erlenseer Gemarkung besteht aus landwirtschaftlichen Flächen. Was wird hier eigentlich angebaut?

In Erlensee wird überwiegend Weizen, Gerste, Roggen sowie Mais und Raps angebaut. Raps ist allerdings sehr pflegeintensiv und teuer in der Bestandsführung. Trotz der leuchtend gelben Felder, die man während der Rapsblüte sehen kann, wurde in den letzten Jahren zunehmend weniger Raps angebaut. Hartweizen, der für die Nudelherstellung benötigt wird, wird übrigens in Deutschland kaum angebaut und muss importiert werden.

Kann man nicht einfach weitere Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln ausweisen?

Statt „mehr“ gilt derzeit „weniger“: Die Agrarpolitik der Europäischen Union schreibt ab nächstem Jahr vor, 4 % der Ackerfläche stillzulegen und diese für Insektenschutz vorzuhalten. Und das, obwohl die Landwirte sowieso auf allen Flächen immer nachhaltiger und umweltfreundlicher wirtschaften.

Das heißt: Blumen für Insekten und kein Getreide für die Nahrungsmittelproduktion?

So ist es. Gegenwärtig laufen jedoch Diskussionen, diese Regelung noch einmal zu überdenken.

Wieviel landwirtschaftliche Betriebe gibt es eigentlich in Erlensee?

In Erlensee gibt es sechs Vollerwerbsbetriebe, wobei die Imkerei Ullmann hier mitgezählt wird und einige Nebenerwerbsbetriebe.

Welche Forderungen und Wünsche haben Sie gegenüber der Politik und den Verbrauchern?

Auf jeden Fall muss man sofort die ständig zunehmende Flächenversiegelung stoppen. Wertvolle Böden wären sonst für immer verloren.

Die Stilllegungspflicht der EU muss aufgehoben werden, schon allein aus Verantwortung gegenüber der Weltbevölkerung. Für jeden Hektar, der bei uns nicht bewirtschaftet wird, müssen anderswo 3 Hektar neu entstehen um die Menschheit satt zu bekommen. Wir dürfen nicht aus Klimaschutz- oder Insektenschutzgründen hier bei uns woanders Hunger erzeugen und keine Abholzung von Wäldern in anderen Staaten in Kauf nehmen.

Außerdem wünsche ich mir mehr Wertschätzung und Verständnis für die Arbeit der Landwirte. Manchmal werde ich heftig beschimpft, wenn ich zum Beispiel Dünger auf die Felder ausbringe. Mit unserer Arbeit ernähren wir schließlich Mensch und Tier.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Die Fragen stellte Markus Sommerfeld)

Foto: Markus Sommerfeld

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