Leserbrief: „Gegen den einseitigen Blick“ – ein Nachruf zu einer denkwürdigen Stadtverordnetenversammlung in Erlensee

Stadtrat Herbert Lange hat in einem Leserbrief die Fahrrad-Demo am Donnerstag vor der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung und die Forderungen nach Radwegekonzepten kommentiert.

Am vergangenen Donnerstag mussten sich alle erst einmal durch den Fahrrad-Dschungel schlängeln, um an der Stadtverordneten-Sitzung teilnehmen zu können. Egal ob gewählte Vertreter*Innen oder Besucher*Innen. Der neugegründete Verein „Erlensee fährt Rad“ hat zur Demo aufgerufen, nachdem ein Antrag der Bündnis90/die Grünen zum Thema Radwegeplan auf der Tagesordnung stand.

So weit, so gut. Es ist sehr erfreulich, dass sich Radfahrer*Innen zusammentun und sich um Ihre Interessen kümmern, auch gegenüber den städtischen Gremien. Abgesehen davon, dass der Vereinsname mehr „Schein“ erweckt, als das „Sein“ darstellt (geschätzte 50 Demo Teilnehmer*Innen) sind nicht Erlensee und auch die Zahl der Mitglieder des neuen Vereins scheint nicht geeignet „Erlensee“ zu repräsentieren.

Das Thema, um das es geht: vernünftige Radwegekonzepte in Erlensee zu entwickeln und umzusetzen ist sachlich ja wichtig und wurde auch in den Redebeiträgen in der Stadtverordneten Versammlung von niemanden klein geredet oder lächerlich gemacht. Wie allerdings Herr Dieter Nentwig in seinem Redebeitrag das Thema aufgeladen hat (angefangen mit einem märchenhaften Einstieg in Anlehnung an die Gebrüder Grimm) und dann auch in seinen politischen Forderungen, endlich dem Radverkehr die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken, denn dieser sei ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz noch eins drauf setzte, finde ich doch sehr überzogen.

1. Innerhalb unserer Stadt reicht es bei weitem nicht, nur eine Gruppe der Verkehrsteilnehmer*Innen in den Blick zu nehmen. Fußgänger*Innen, Radfahrer*Innen und der Pkw- und Lkw- Verkehr müssen gleichermaßen in den Blick genommen werden.

2. Alle Verkehrsteilnehmer*Innen haben ein Recht auf gesicherte Wege. Nur gegenseitige Rücksichtnahme macht es in so beengten Verhältnissen, wie sie in unseren Stadtteilen vorherrschen überhaupt möglich, gesund und wohlbehalten von A nach B zu kommen.

3. Es stimmt, dass ein vielfacher Umstieg vom Automobil auf das Fahrrad unserem Klima insgesamt guttut. Dass das Fahrradfahren gesünder ist, als Kurzstrecken mit dem Auto zu überwinden, ist natürlich richtig. Ob die Klimabilanz in Zeiten zunehmender E-Bike Mobilität tatsächlich positiv ausfällt, ist noch nicht belegt. Einige Studien legen eher nahe, dass es dafür einer sehr langen Lebensdauer der benutzten Speichermedien (Batterien) bedarf, dass wirklich positive Effekte eintreten.

4. Mir scheint bei der ganzen trendigen Diskussion um Nationale Radwegepläne und innerörtliche Anstrengungen im Blick auf die Fahrradmobilität eine Gruppe in Vergessenheit zu geraten: die Fußgänger*Innen. Viele von Ihnen fühlen sich zunehmend verunsichert und gefährdet angesichts der vielen Radfahrer*Innen auf den Gehwegen. Nicht nur, wenn diese sehr sportlich und ohne Warnsignal auf engen Gehwegen links oder rechts von hinten kommend an Fußgänger*Innen vorbeisausen, sondern auch deshalb, weil es ein völlig unübersichtliches Regelwerk dafür gibt, auf welchen Wegen, wie und wo sich Fußgänger*Innen und Radfahrer*Innen sicher bewegen können.

5. Zu Fuß gehen ist wohl unsere angeborene Bewegungsart. Kurze Wege zu Laufen scheint mir am gesündesten und am klimaneutralsten zu sein. Mein Aufruf lautet deshalb: Kurzstrecken nur zu Fuß – ansonsten klar geregelte Raumverhältnisse für Fußgänger*Innen, Radfahrer*Innen und Automobilist*innen in unseren Städten.

Herbert Lange,
Stadtrat
Erlensee

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