Leserbrief: „Anmeldung eines „Balkon Kraftwerkes“ in Erlensee“

Über seine Erfahrungen mit der Anmeldung eines „Balkon Kraftwerkes“ in Erlensee berichtet Peter Seikel in seinem Leserbrief.

Im Mai 2019 hat der Verband deutscher Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) durch die Verabschiedung neuer Normen den Weg für den Betrieb kleiner Photovoltaikanlagen geebnet. Es handelt sich hierbei um „steckerfertige“ Photovoltaikanlagen-, in der Regel mit einer Spitzenleistung zwischen 300 und 600 Watt. Nicht mehr also, als eine kleine Bohrmaschine.

Der Vorteil dieser Anlagen ist, dass der so erzeugte Strom direkt ins Hausnetz eingespeist und verbraucht werden kann. Was nicht verbraucht wird, geht ins öffentliche Stromnetz.

Anlagen bis 600 Watt dürfen gemäß der neuen VDE-Normen vom Verbraucher beim Netzbetreiber selbst angemeldet werden. Unter Beachtung entsprechender Sicherheitskriterien darf auch die Inbetriebnahme der Anlage durch den Verbraucher selbst vorgenommen werden. Da der VDE jedoch den Anschluss der Anlagen an eine spezielle Einspeisesteckdose-, bzw. den direkten Anschluss der Anlage an das Hausnetz vorschreibt, kommt man spätestens an dieser Stelle nicht um die Beauftragung eines Elektro Fachbetriebes herum. Zumindest dann, wenn alles vorschriftsmäßig laufen soll.
Die Anlage muss im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur angemeldet werden, was aber in maximal 15 Minuten per Internet erledigt ist.

Bis hierhin hört sich der gesamte Vorgang noch recht übersichtlich und machbar an. Nun zur Praxis.

Anmeldung

Für die Anmeldung beim unserem Netzbetreiber Energie-Netz-Mitte, gibt es bedauerlicherweise noch kein vereinfachtes Anmeldeverfahren, welches an die neuen VDE Normen angepasst wurde. Die Anmeldung erfolgt über das Netzbauportal des Netzbetreibers via Internet. Als Endverbraucher sucht man im Portal jedoch vergeblich nach einer Option für die Anmeldung seiner Anlage. Dies funktioniert nur, wenn man die Rolle eines Netzplaners im Netzbauportal innehat.

Also habe ich den Antrag gestellt und wurde nach einer Rückfrage aus der der zuständigen Abteilung in Kassel tatsächlich Netzplaner. Allerdings hatte ich den Eindruck das die Genehmigung für diese Rolle nur aus Kulanzgründen zustande kam.

Für die Anmeldung selbst mussten dann ein Netzlaufplan (mit PowerPoint gemalt), ein Lageplan (mit Google MAPS erzeugt) und die technischen Zertifizierungen der Anlage hochgeladen werden. Diese liefert der Händler. Ferner forderte der Netzbetreiber noch ein Foto vom Zählerschrank.

Bereits an dieser Stelle dürfte bei vielen technisch eher unbedarften Endkunden der Geduldsfaden reißen und das ursprüngliche Vorhaben sich persönlich an der Energiewende zu beteiligen wird abgebrochen.

Inbetriebnahme

Voraussetzung für den Betrieb einer kleinen Photovoltaikanlage ist ein Stromzähler mit Rücklaufsperre. Dies ist derzeit in der Regel nicht der Fall, da in unserem Netzgebiet derzeit noch uralte Ferraris Zähler ohne Rücklaufsperre installiert sind. Die alten Zähler werden laut Netzbetreiber jedoch im Laufe des Jahres durch digitale Messeinrichtungen ersetzt. Ohne Rücklaufsperre ist es möglich, dass der Zähler bei Einspeisungen von überschüssigen Strommengen rückwärts läuft. Ab einem bestimmten Schwellwert werden dann verschiede strafrechtliche Tatbestände erfüllt und wer möchte das schon.

Die Energie-Netz-Mitte verlangt darüber hinaus auch für diese Mini-Anlagen einen Zweirichtungszähler, der die Strommenge erfasst die ins öffentliche Netz eingespeist wird. Da die eingespeiste Strommenge bei diesen kleinen Anlagen eher gering ist, verzichten andere Netzbetreiber auf die Installation eines Zweirichtungszählers.
Der Netzbetreiber schreibt darüber hinaus derzeit noch vor, dass die Beantragung eines Zweirichtungszählers nur durch einen Elektrofachbetrieb vorgenommen darf, der durch den Netzbetreiber autorisiert ist.

Kosten

Für eine Anlage mit rund 600 Watt habe ich 755.- € gezahlt. Hinzu kommen Zusatzkosten für Zähler und Elektroinstallationen, die mit 200 – 300 € einkalkuliert werden sollten. Die Jährlichen Gebühren für einen Zweirichtungszähler liegen nach Angaben des Netzbetreibers mit ca. 20.- Euro jährlich nicht über den Kosten eines digitalen Zählers der demnächst in allen Haushalten installiert wird.

Auf eine Beantragung einer Einspeisevergütung nach dem EEG habe ich verzichtet, da der Verwaltungsaufwand und die Kosten für den Steuerberater in keinem Verhältnis zum erwarteten Ertrag stehen werden. Darüber hinaus müsste die Anlage laut EEG dann auch noch auf 70% gedrosselt werde, was bei dieser Anlagengröße ziemlich lächerlich erscheint.

Perspektiven

Der VDE arbeitet derzeit an weiteren Normierungen und Vereinfachungen für den Betrieb von steckerfertigen Photovoltaikanlagen.
Die Energie-Netz-Mitte hat zugesagt, die Anmelde und Inbetriebnahmeprozesse zu vereinfachen. Wann dies umgesetzt wird steht noch nicht exakt fest und ist abhängig von einer Entscheidung des Vorstandes.

Politik

Meine Beschwerde über die komplizierten und teuren Prozesse des Netzbetreibers beim Bundeswirtschaftsministerium, wurde mit dem Hinweis beantwortet, dass es im Ermessen des Netzbetreibers liegt, wie die Anmelde- und Inbetriebnahmeprozesse praktisch umgesetzt werden.
Hier gibt es eindeutig einen gesetzlichen Regelungsbedarf, da dies bedeutet, dass die Netzbetreiber die neuen, vereinfachten Möglichkeiten für den Betrieb dieser kleinen Photovoltaikanlagen im Zuständigkeitsgebiet ihrer kleinen Königreiche, mit komplizierten und teuren Verfahren überschreiben dürfen. Damit wird die großflächige Verbreitung diese Photovoltaikanlagen letztlich blockiert.

Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie (DGS) könnte bei einer Ausschöpfung des Potentials dieser kleinen Photovoltaikanlagen ein komplettes Kohlekraftwerk eingespart werden. Und dies wäre sicherlich ein kleiner, aber ernstzunehmender Beitrag der Bürgerinnen und Bürger zur Energiewende.

 

Peter Seikel
Erlensee

Foto: Peter Seikel

Leserbriefe können an redaktion@erlensee-aktuell.de zur Veröffentlichung gesendet werden. Sie geben allein die Meinung der Verfasser wieder, die ebenfalls darüber entscheiden, ob diese auch auf der Facebookseite von Erlensee Aktuell veröffentlicht werden sollen. Anonyme Zusendungen sind von einer Veröffentlichung ausgeschlossen.

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