Trockenheit verursacht dramatische Folgen in Wäldern – Forstamtsleiter richtet dringenden Appell an Politik

(ms/ea) – „Ich habe noch nie erlebt, dass sich der Wald in einem solch schlechten Zustand befindet“, beschreibt der Leiter des Forstamts Hanau-Wolfgang, Christian Schäfer, die dramatische Lage in den Wäldern der Region. Er schätzt, dass in seinem Zuständigkeitsbereich bereits rund 25.000 Bäume abgestorben sind.

Obwohl alle Baumarten betroffen sind, hat es derzeit die Buche besonders stark getroffen. Mehr als 100 Jahre alte Exemplare, die noch im Frühjahr im grünen Blätterkleid standen, sind innerhalb weniger Wochen abgestorben. Bei der Eiche sieht es noch nicht ganz so schlimm aus, da diese tiefer wurzelt und nach Angaben von Christian Schäfer mit Wassermangel-Stress besser umgehen kann, dennoch kann auch hier die weitere Entwicklung nicht vorhergesagt werden.

Die jetzt innerhalb weniger Wochen sichtbar gewordenen Schäden wurden im Wesentlichen verursacht von der enormen Trockenheit im letzten Jahr. Die fehlende Niederschlagsmenge wurde auch im vergangenen Winter in der Region nicht ausgeglichen. Auch in diesem Jahr zeigten sich insbesondere die Monate Februar und April als besonders trocken, wie die nachfolgenden Diagramme der Wetterstation Erlensee zeigen:

Die „normale“ durchschnittliche Absterberate bei den Bäumen wird mit weniger als 0,1 % angegeben. Bei der gegenwärtigen Situation ist davon auszugehen, dass diese auf 2 % steigt, d.h. jeder 50. Baum ist betroffen.

Forstamtsleiter Christian Schäfer, bewusst in Alarmfarbe Rot gekleidet, und Revierförster Olaf Gold

„Uns überrollt diese Entwicklung. Wir haben in unseren 35 Dienstjahren noch nie erlebt, dass in einer solch hohen Geschwindigkeit ganze Waldstrukturen zerfallen“, so Christian Schäfer und Revierförster Olaf Gold, die gemeinsam in einem Pressegespräch die Situation erörterten.

Die als „Waldsterben 2.0“ bezeichnete gegenwärtige Situation unterscheidet sich erheblich vom Waldsterben in den 80er Jahren. Damals war in erster Linie saurer Regen verantwortlich, der von Schwefeldioxid-Emissionen insbesondere aus Großfeuerungsanlagen resultierte. Schwefeldioxid reagiert mit dem Regen zu Schwefelsäure, die damals den Waldboden versauern ließ. pH-Werte des Regens im Bereich von 3 bis 4 wurden gemessen. 7 entspricht neutralem Wasser.

Die Problematik konnte jedoch auf nationaler Ebene gelöst werden. Durch den Einbau von Rauchgaswäschern und Filtern wurden die Schwefeldioxidemissionen fast gänzlich aus dem Abgas entfernt. Luftschadstoffmessungen zeigten dies besonders deutlich: Wurde Ende der 80er Jahre mit Werten von über 100 µg/m³ Schwefeldioxid in der Außenluft sogar Smog-Alarm im Winter ausgerufen, liegen die heute gemessenen Werte im Nachweisbereich der Messgeräte bei unter 1 µg/m³ (Hanau: Monatsmittel für Mai: 0,8 µg/m³).

Das „Waldsterben 2.0“ ist als Folge des globalen Klimawandels durch den Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre anzusehen und erfordert demzufolge globale Anstrengungen (⇒CO2-Messwerte Mauna Loa). Für den Wald sind dabei weniger die ansteigenden Temperaturen als vielmehr die zunehmende Häufung von Trockenperioden das Problem. Hinzu kommt: abgestorbene Bäume tragen natürlich nichts mehr dazu bei, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen, so dass aufgrund der großen Zahl an betroffenen Bäumen Auswirkungen auf das nationale CO2-Budget rechnerisch nicht zu vernachlässigen sind.

Die Folgen sind dramatisch: In erster Linie sind derzeit die Förster dabei, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Gefährdungen an Straßen und Wegen zu beseitigen. Gefahren ergeben sich darüber hinaus auch aus so genannten Astabwürfen. Der Astabwurf ist eine natürliche Reaktion der Bäume auf den Wassermangel und ist nicht vorherzusehen.

Enorme wirtschaftliche Schäden ergeben sich unter anderem aus der verminderten Holzqualität, da ein abgestorbener Baum meist höchstens noch als Brennholz verwertet werden kann.

Darüber hinaus muss der Wald langfristig „umgebaut“ werden, was eine Jahrhundertaufgabe darstellt. Eiche und Douglasie sowie Wildkirsche und Spitzahorn werden aufgrund ihrer größeren Resistenz zunehmend die Buche verdrängen. Welche Arten sich insgesamt als widerstandsfähig zeigen, müssen Forschungen noch zeigen.

Christian Schäfer rechnet allein im Bereich seines Forstamts mit Wiederaufforstungskosten von rund 1 Mio Euro. Betroffen sind zudem viele Waldbesitzer im privaten und kommunalen Bereich. Er richtet in diesem Zusammenhang einen dringenden Appell an die Politik, wirkungsvolle Programme aufzulegen und die Betroffenen zu unterstützen. „Außerdem ist es nicht zielführend, Personal im Forstbereich abzubauen“, so Christian Schäfer.

Fotos und Diagramme: Markus Sommerfeld

 

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