Enttäuschung bei Erlenseer Fraktionen über Ausfall des Bürgerentscheids

(ms/ea) – Alle im Erlenseer Stadtparlament vertretenen Fraktionen bedauern den Ausfall eines Bürgerentscheids zur Fusion Erlensee und Neuberg. Erlensee Aktuell hat die Fraktionsvorsitzenden um deren Stellungnahme gebeten, die nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben werden.

Horst Pabst, Fraktionsvorsitzender der CDU Erlensee, meint, „es ist schon richtig, dass Politiker gewählt werden, um Entscheidungen für die Bürger zu fällen. In diesem Fall finde ich es allerdings mehr als schade, dass man bei einer so schwer wiegenden Entscheidung die Bürger außen vor läßt. Ob die Fusion gewollt oder nicht gewollt ist, hätte ein Bürgerentscheid sowohl in Erlensee als auch in Neuberg ganz klar aufgezeigt.

Dass die Politiker in Neuberg ihre Eigenständigkeit behalten wollen, ist legitim. Aber, ob sie damit tatsächlich die Interessen der Neuberger Bürger richtig vertreten haben, hätte nur der Bürgerentscheid bestätigt.

Wir in Erlensee waren und sind uns nach wie vor darüber einig, dass wir eine so große Entscheidung ohne die Zustimmung der Bürger nie gefällt hätten. Wir müssen uns allerdings jetzt auch keine Gedanken mehr darüber machen, ob wir, wäre es zu einer Fusion gekommen, den Namen „Erlensee“ hätten beibehalten können.“

„Chance verpasst“ sagt die Erlenseer SPD:

„Wie zuletzt von drei Gruppierungen in der Gemeindevertretung Neuberg angekündigt, wurde gegen die Durchführung eines Bürgerentscheides über einen Zusammenschluss von Neuberg und Erlensee entschieden.

Mit einem „Schaufensterantrag“ stattdessen die bereits vorbildliche Interkommunale Zusammenarbeit der Kommunen (Kläranlage, Ordnungspolizei, Tagesmutter etc.) auszubauen, wurde den Neuberger Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit verwehrt, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden; eine Entscheidung, die im Erlenseer Parlament im Übrigen einstimmig getroffen wurde.

50.000 € wurden vom Land Hessen für die Erstellung der Studie ausgegeben, in beiden Rathäusern unzählige Arbeitsstunden darauf verwendet. Doch das Ergebnis der ausgiebigen und handwerklich einwandfreien Studie wurde von den gleichen Vertretern, die zuvor noch für die Studie gestimmt hatten, dann unter fadenscheinigen Vorwänden ignoriert.

Fadenscheinig wieso? Wiederholt wurden in den Bürgerversammlungen, in den sozialen Medien und in der Gemeindevertretung gebetsmühlenartig die immer gleichen falschen Punkte (in Kürze):

1. Erlensee sei finanziell schlechter aufgestellt als Neuberg. FALSCH.

2. Von Erlensee aus würde Neuberg „regiert“ werden. FALSCH. Nach einem Zusammenschluss hätte es beide Kommunen schlicht nicht mehr gegeben. Nicht jeder Stadtteil kann gleich in einem neuen Parlament vertreten sein, das ist richtig. Aber dann hätte man es auch so sagen müssen.

3. Personal hätte abgebaut werden sollen. FALSCH. Mehrfach erklärt und anhand der Altersstruktur der Mitarbeiterschaft wurde in der Studie und in den Versammlungen erläutert, dass alle Fachkräfte in Zukunft gebraucht werden. Denn der Personalmangel im öffentlichen Dienst ist bereits heute problematisch.

4. Ein Vertrag hätte schon vor der Entscheidung über den Bürgerentscheid die gerechte Ausgestaltung der Fusion sicherstellen sollen. UNSINN, da es keinerlei Grundlage für Vertragswerke gegeben hätte.

Die SPD-Vorsitzende Birgit Reuhl vermutet, der Neuberger CDU-Fraktionsvorsitzende Weiß könne als Jurist so manche der zitierten Behauptungen nur bewusst falsch aufgestellt haben. Als Gründungsmitglied der „Initiative Neuberger für Neuberg“ sei seine und auch die Meinung weiterer Gemeindevertreter zur Fusion von Anfang eine gefestigte gewesen. Und so wurden seit Beginn so viele Gründe wie möglich gegen die zweifellos fortschrittliche Idee gesammelt und ohne Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt geradezu hemmungslos verbreitet. Auch wurde den Erlenseern von Andreas Weiß vorgeworfen, mit den Ersparnissen aus einer Fusion auch in Zukunft die Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen Bücherei und Schwimmbad sicherstellen zu wollen. Welch ein Zynismus, die Bereitstellung von Infrastruktur für die Menschen für verwerflich zu halten! Über die Motive dieses Tuns verbietet sich freilich jegliche Spekulation.

Auch das Abstimmen der Grünen gegen das basisdemokratische Mittel „Bürgerentscheid“ wird vom Fraktionsvorsitzenden Dr. Martin Maul als zumindest ungewöhnlich bezeichnet.

Leider ist es zu der wirklichen und sachlichen Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern ohne den Startschuss zum Bürgerentscheid erst gar nicht gekommen. In vier Monaten hätten die Argumente Für und Wider sehr gründlich aufgearbeitet und ausgetauscht werden können. Jede daraufhin folgende Entscheidung der Bürgerschaft wäre von der SPD Erlensee aus voller demokratischer Überzeugung respektiert worden. Jedoch machte der besagte hochaggressive Stil die „Zusammenarbeit“ mit Neuberg im Laufe der Vorarbeiten bereits sehr schwierig und es wäre auch im direkten Vorlauf zu einem Bürgerentscheid wohlmöglich zu einer Art „Schlammschlacht“ ausgeartet.

Dennoch ist es einfach nur als zutiefst bedauerlich zu bezeichnen, dass es nun zu keiner Abstimmung kommt.

Es ist sehr fraglich, ob sich diese Chance einer Fusion der Neuberger auf Augenhöhe mit Erlensee sowie einem finanziellen Zuschuss durch das Land noch einmal ergeben wird.

Zu Erlensee ist zu sagen, dass wir durch die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre eine starke Kommune sind, um deren Handlungsspielräume den Bürgerinnen und Bürgern auch ohne Neuberg in der Zukunft nicht bange sein muss. Es wäre ein Zusammenschluss aus der Position der Stärke heraus, nicht aus der der Schwäche heraus gewesen.

Die frisch geknüpften guten Kontakte zum Neuberger Ortsverein möchte die Erlenseer SPD auch in Zukunft pflegen und beibehalten.“

Die Fraktion B90/Die Grünen in Erlensee hätte den Bürgerentscheid begrüßt, respektieren aber die Entscheidung der Neuberger Gemeindevertretung.
Erlensees Grüne Fraktion hatte schon zu Beginn des Fusionsprozesses gefordert, einen Bürgerentscheid zur letztendlichen Entscheidung, ob Erlensee mit Neuberg fusionieren soll, zwingend vorzuschreiben.

Ein entsprechender Antrag wurde jedoch in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. März 2017 von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Insbesondere Bürgermeister Erb und die SPD-Fraktion hatten sich seinerzeit vehement gegen eine solche Festlegung ausgesprochen.

Wenn die SPD heute das Hohelied des Bürgerentscheids singt, dann klingt das vor dem Hintergrund des damaligen Abstimmverhaltens etwas schräg.

Bei der Erstellung der sog. Machbarkeitsstudie sind nach Meinung der Grünen Fraktion ebenfalls schwerwiegende strategische Fehler unterlaufen. So bestand die sog. Lenkungsgruppe neben Verwaltungsangestellten nur aus Amts- und Mandatsträgern aus den Reihen der SPD Neuberg und Erlensee.

Es wäre sicher zielführender gewesen, alle Fraktionen in den Prozess „Erstellung Machbarkeitsstudie“ einzubinden. Dies hätte selbstverständlich einen höheren organisatorischen und zeitlichen Aufwand bedeutet, es hätte aber auch dazu beigetragen, Ideen einzubringen und die Glaubwürdigkeit der Machbarkeitsstudie zu stärken.

Auch das Verhalten der CDU-Fraktion, Erlensee hat dazu beigetragen, dass der Fusionsprozess zwischen Neuberg und Erlensee gefühlt nicht auf „Augenhöhe“ entwickelt wurde. Die Zustimmung zu einer Einheitsgemeinde davon abhängig zu machen, dass sich ein Partner gewissermaßen unterordnet, trägt nicht zur Vertrauensbildung bei. Abzulesen u.a. an der Forderung, dass der Name Erlensee auf jeden Fall hätte beibehalten werden sollen.

Eine Fusion zweier von ihrer Größe und Struktur her sehr unterschiedlichen Kommunen lässt sich nicht allein mit wirtschaftlichen Argumenten begründen. Vielmehr gilt es neben sozio-ökonomischen auch psycho-soziale Aspekte zu beachten. Hier wies die Machbarkeitsstudie einen zentralen Mangel auf. Und hierin lag auch ein wichtiger Punkt für das Scheitern der geplanten Fusion.

Erlensee und Neuberg haben in der Vergangenheit im Bereich der Interkommunalen Zusammenarbeit schon einige Projekt realisiert. Eine weiter Intensivierung wäre sicher sinnvoll, möglich und sehr zu begrüßen.

Letztlich: Das Votum der Gemeindevertretung ist selbstverständlich zu respektieren, ohne wenn und aber.“

Die Fraktionsvorsitzende der NFE, Carmen Merz, bedauert es, dass den Bürgern das Recht genommen wurde, selbst zu entscheiden, begrüßt es jedoch, dass es nun zu keiner Fusion kommt. „Die Machbarkeitsstudie ist sehr einseitig, der ganze Prozess fand sehr übereilt statt, so dass das Für und Wider nicht ausreichend geprüft werden konnte.“

 

 

 

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