Leserbrief: „Das Pferd von hinten aufgezäumt?“

Sabine Pabst, Dipl.-Ökonomin, Erlenseer Bürgerin seit 2003, kommentiert den Verlauf der am Mittwochabend stattgefundenen Bürgerversammlung.

Das Pferd von hinten aufgezäumt? – So kam es mir jedenfalls nach der gestrigen Bürgerversammlung in der großen Erlenhalle vor.

Die Versammlung wurde „Startschuss“ genannt für den von unseren beiden Bürgermeistern geplanten Zusammenschluss oder Fusion zwischen Neuberg und Erlensee.
Nach sehr monotonen Ausführungen der dazu geladenen Sachverständigen, die einzig alle dazu dienten, uns Bürgern diese Fusion zu begründen und schmackhaft zu machen, kam es dann zum 2. Tagesordnungspunkt, den Fragestellungen der Bürger.

Zu Recht wurde u. a. angemerkt, dass eine regionale Beschreibung beider Kommunen nicht vorgestellt wurde, was ja sehr interessant wäre, denn Erlensee und Neuberg könnten fast nicht unterschiedlicher sein.

Die Referenten betonten dagegen immer wieder, dass bei diesem geplanten Zusammenschluss die Bürger „mit ins Boot“ geholt würden, und ohne Bürgerentscheid – der positiv ausgehen müsste – gäbe es keine Fusion. So die Versprechungen.

Nun bin ich auch ein „Bauchmensch“, und habe da auf dieser Versammlung ein bestimmtes Gefühl mitgenommen, dass sich nach der Versammlung durch einige aufschlussreiche Gespräche mit Neuberger Bürgern noch verfestigt hat: den Erlensee Bürgern geht diese Fusion – wie gesagt, nur gefühlt – lange nicht so nahe wie den Neuberger Bürgern.
Ich hatte den Eindruck, die meisten Erlenseer gehen die Sache mit einem Schulterzucken an. Denn im Grunde verändert sich – zumindest für den Erlensee Bürger – nicht allzu viel, für die Erlensee Stadtverwaltung natürlich deutlich mehr.

Aber wie sieht es mit den Neubergern aus? Da gibt es sogar schon eine Bürgerinitiative zur Interessenvertretung in diesem speziellen Fall. Ich habe versucht, mich hineinzudenken, weil der Widerstand gegen das Geplante deutlich erkennbar war. Wie ist es, wenn man Jahrzehnte in einem kleinen idyllischen Dorf lebt? Bewusst auch dort bleibt. Man kennt sich, man ist „unter sich“. Oder wenn man sich bewusst entscheidet, eben genau dorthin zu ziehen, und erst 1 oder 2 Jahre dort lebt? Die Neuberger haben Angst, geschluckt zu werden. Ich beginne, diese Angst zu verstehen. Sie wollen ihre Eigenständigkeit nicht aufgeben. Warum auch? Ja, das ein oder andere Problem wurde wohl verschlafen, es gibt keine großen Gewerbegebiete, keine Industrieansiedlungen, nichts, was auf Sicht „großes Geld“ in die Kassen spült. Aber es gibt etwas anderes, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Aufgehobensein. Das wollen die Neuberger nicht verlieren. Und kommunale Zusammenarbeit lehnen sie keinesfalls ab, ganz im Gegenteil, dies wird als hilfreich empfunden und kann durchaus erweitert werden. Wozu also eine Fusion?
Das habe ich mich dann auch gefragt! Und vor allem: warum gibt es erst eine teure Machbarkeitsstudie (auch wenn sie das Land bezahlt, am Ende zahlt der Steuerzahler), und erst dann die Bürgerbefragung?

Hofft man, dass die Machbarkeitsstudie etwas zutage fördert, was wir jetzt ev. noch nicht wissen? Sicher geht sie im betriebswirtschaftlichem Sinne positiv aus, dazu benötigt man kein Studium, sondern gesunden Menschenverstand.

Aber muss es immer nur um noch mehr Geld gehen? Oder sollte man nicht zunächst die Befindlichkeiten der Bürger abfragen, ehe man so viel Geld investiert, um dann vom Bürger abschlägig beschieden zu werden? Also erst eine Bürgerbefragung, dann eine Studie?

Für mich sieht das sehr manipulativ aus, wenn jetzt schon gedroht wird, dass die Bürger zur Zeit noch mitreden dürfen. In ein paar Jahren dann vielleicht nicht mehr? Sehr merkwürdig.
Nun bin ich keine ewig Gestrige; ich befürworte Veränderungen, da sie die Triebkraft der Entwicklung sind, aber eben nicht um jeden Preis.

Sabine Pabst, Erlensee

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