„Wer, wenn nicht WIR?“ – Demokratie zum Mitmachen

(pm/ea) – Zu einer nicht alltäglichen gemeinsamen Sozialausschusssitzung hatten die Stadt Erlensee und die Gemeinde Rodenbach am vergangenen Montag in das Bürgerhaus „Zum Neuen Löwen“ in Erlensee geladen, und viele Bürger aus beiden Ortschaften waren der Einladung gefolgt.

Interessiert verfolgten sie die rund zweistündige Präsentation über die bereits laufenden Projekte, die durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert werden.

Zunächst begrüßten die Bürgermeister Stefan Erb (Erlensee) und Klaus Schejna (Rodenbach) zusammen mit der Moderatorin Anne Wilmers und den Vorsitzenden der beiden Sozialausschüsse, Doris Fuchs und Norbert Link, die zahlreichen Gäste und Akteure. Anita Losch und Achim Kreis, die als Ansprechpartner für „Demokratie leben!“ fungieren, gaben anschließend einen Ausblick auf die in den nächsten Wochen startenden Projekte, die sich unter anderem gegen Menschenfeindlichkeit oder rechtsstaatsfeindliche Phänomene richten.


So wird zum Beispiel die Autorin Mo Asumang nach Erlensee kommen und in einer Lesung über ihre Erfahrungen mit Menschen mit rassistischem Gedankengut berichten. Die Rodenbacher Pfadfinder üben sich in ihrem Sommerzeltlager in basisdemokratischen Übungen, denn die Lagerleitung wird intervallweise immer von anderen Jugendlichen zu übernehmen sein. In einem anderen Projekt unterhalten sich Jugendliche aus verschiedenen Nationen auf Englisch über demokratische Grundwerte in verschiedenen Kulturen. Nicht zuletzt wird es einen internationalen Kochkurs geben, in dem man auch ohne Worte interkulturell durch gemeinsames Kochen voneinander lernen kann. „Sie haben eine kleine Idee und suchen nach Unterstützung bei der Umsetzung? Wir machen was daraus, und freuen uns auf die gemeinsame Zusammenarbeit“, warb Anita Losch von der Koordinierungs und Fachstelle des Projektes „Demokratie leben!“ um weitere Projektträger, die Verantwortung übernehmen möchten und so die Demokratie hier vor Ort, in Erlensee und Rodenbach, mitgestalten und stärken wollen.

Bevor es zum kreativen Teil des Abends überging, wurde Bärbel Scholz für ihr nun schon zehnjähriges Engagement im Bürgerverein Soziales Erlensee e.V. geehrt. Hieran schloss sich ein Theaterstück an, in dem geflüchtete Kinder und Jugendliche ihre eigenen Fluchtgeschichten thematisierten. Simuliert wurde ein Perspektivwechsel, denn nun waren es die Deutschen, die ihr Land verlassen mussten, weil die Deutsche Ekel Partei (DEP) an die Macht gekommen war, und die Betroffenen den Machtwechsel ohne es zu wollen durch ihre Teilnahmslosigkeit und Desinteresse an politischer Mitbestimmung selbst herbei geführt hatten.

Impressionen vom Theaterstück, das nachdenklich machte und so manchem „unter die Haut ging“

Nach großem Applaus für die jungen Schauspieler wurden Akteure und Träger aktueller Projekte im Interview kurz vorgestellt. Voller Elan berichtete Alireza Nadiri vom Ringerclub 1988 Erlensee e.V. von der „Brücke in die Gesellschaft“, einer sonntäglich statt findenden Veranstaltung, in der sich Personen vieler Nationen gegenseitig helfen, in Deutschland ihren Weg zu finden. Gesprochen wird nur auf Deutsch. Nadiri, amtierender Hessenmeister im Ringen und selbst erst 2014 nach Deutschland gekommen, ermunterte die Anwesenden, sich selbst einmal sonntags zwischen 13:00 bis 18:00 Uhr in der Fallbachhalle ein Bild zu machen.

Gefördert wird ebenso eine Fahrradwerkstatt, die freitags vormittags in der Georg-Büchner-Schule statt findet, und in der unter fachkundiger Anleitung durch Udo Speiser Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wird. Mit einem Team baut er eine zweite Fahrradwerkstatt in Rodenbach auf. Hier werden gespendete Räder aufbereitet und eigene repariert. „Dieses Angebot steht allen Interessierten offen, ist aber besonders für diejenigen gedacht, die sich auf Grund geringer finanzieller Mittel kein Fahrrad leisten können“, so der Werkstattleiter. Die Eröffnung der Fahrradwerkstatt in Rodenbach ist für August vorgesehen.

Gleiches gilt für die „Computernester“ des Fördervereins der Stadtbücherei Erlensee: Alle, die keine internetfähigen Computer besitzen, können dort ab dem 07. Juli von 14:00 bis 17:00 Uhr am Computer arbeiten und lernen, „cool und fair im Internet“ zu arbeiten.

Roman Schefold brachten die eigenen Erfahrungen mit seinen Kindern auf eine Projektidee: ist es möglich, zwei Tage ohne Smartphone auszukommen? In Zusammenarbeit mit dem Vogelschutzverein Erlensee wird er ein Abenteuer-Wochenende anbieten, „weg von der Technik, hin zur Natur.“ Wie man z. B. selbst Feuer macht oder sich einen Unterstand im Wald baut will er den Kindern vermitteln. Außerdem berichtete Schefold vom Seminar „cool und fair im Internet“, in dem er sich mit Gefahren im Internet und den Sozialen Medien auseinandersetzt.

Dann kam Bewegung in das Bürgerhaus: alle wurden aufgefordert, sich beim Tanzen eines Flashmobs zu üben. Am „Erlenseer Sonntag“, der am Tag der Bundestagswahl am 24.09.2017 stattfinden wird, wird der Tanz unter dem Motto „Wir sind alle aktiv in Erlensee“ aufgeführt und soll möglichst viele Menschen begeistern.

Der durch Jugendliche in Erlensee gebaute Dirt Bike Park verlangt nun nach Nutzungsregeln. Dem Bau des Parks schließt sich ein Projekt an, in dem Jugendliche eigene soziale Verhaltensregeln aufstellen und selbst auf die Einhaltung dieses Regelwerks achten. Unterstützt werden sie hierbei durch die TSG Erlensee, die örtliche Jugendarbeit und den Bürgerverein.

Torsten Stoll, der Regisseur des zu Beginn gezeigten Theaterstücks, führte mit Teilnehmern des Projektes „Wir in unserer einen Welt“ eine musikalische Kostprobe auf. Zwei Afghanen musizierten und sangen ein Liebes- und ein Friedenslied aus ihrer Heimat, und der deutsche Text wurde per selbst erstellter Videopräsentation auf einer Leinwand eingespielt. Spontan entschlossen sich zwei weitere junge Afghanen, zu der Musik zu tanzen.

Abschließend wurde auf die umrahmende Karikaturenausstellung hingewiesen, die der Verein Lichterkette in Rodenbach nach dem Brandanschlag in Rostock 1992 erwarb. Während die Karikaturen zu jener Zeit sich eher mit den damals vorherrschenden rechten Parteien befassten, wies Hans Peter Brunner darauf hin, dass die Ausstellung nach wie vor aktuell sei, da die Schriftzüge heute gegen andere politische Gruppierungen ausgetauscht werden könnten. „Ein latenter Rassismus in der Gesellschaft ist immer vorhanden, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir die Mehrheit sind und das zeigen sollten“, so Brunner.

Die Demokratiewerkstatt wurde von Moderatorin Anne Wilmers mit den Worten beendet, dass „dies die bewegteste Demokratiekonferenz war“, die sie je erlebt hat. So ähnlich ging es wohl auch vielen der Anwesenden, die sich noch weiter unterhielten, und vielleicht auch schon die ein oder andere Idee für ein nächstes Projekt entwickelten.

Interessenten können sich mit ihren Ideen gerne bei Achim Kreis unter Tel. 0176-43779496 demokratie.leben@rodenbach.de oder Anita Losch Tel. 0172-6914205 demokratie.leben@erlensee.de melden.

Auf http://mach-mit-seite.de können sich interessierte Bürger der Kommunen Rodenbach und Erlensee über Möglichkeiten des sozialen Engagements in ihrem Wohnort informieren.

Fotos: PM, Markus Sommerfeld

 

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