Wohnung mit Huhn zu vermieten

(pm/ea) – In Deutschland – vermutlich sogar in Europa – dürfte das einzigartig sein: Die Baugesellschaft Hanau bietet ihren Mietern an, in den Wohnanlagen mit mehrgeschossigem Wohnungsbau Hühner zu halten.

Das kommunale Unternehmen will damit ein Stück Natur in die Stadt holen, den Bio-Abfall reduzieren, Senioren ein Hobby und Kindern biologischen Anschauungsunterricht bieten.

„Wir wissen, dass das auf den ersten Blick verrückt klingt,“ so der Geschäftsführer des kommunalen Unternehmens, Jens Gottwald, „aber je mehr man sich damit beschäftigt, desto sinnvoller erscheint das Ganze“. Im Rahmen des ungewöhnlichen Projektes sollen Mieter auf Wunsch die Gelegenheit erhalten, in ihren Wohnanlagen, in denen es auch tatsächlich umsetzbar ist, Hühner zu halten. Die Baugesellschaft stellt dabei die Tiere und einen sicheren Hühnerstall samt ausreichend Auslauf, der auf den Freiflächen errichtet wird. Betreut werden die Hühner dann von den Mietern, die natürlich auch täglich die frischen Eier bekommen. Zum Füttern des Federviehs sollen vor allem die biologischen Reste aus den Wohnungen, zum Beispiel Salatblätter, genutzt werden. Erste Mieter haben bereits ihr Interesse an dem Projekt, das im Mai starten soll, bekundet, freut sich Gottwald.

Natürlich ist hier keine Massentierhaltung vorgesehen. Vier Hühner sollen es jeweils pro Hühnerstall sein, die mitten in der Stadt eine neue Heimat finden. Vorrangig geht es darum, die Reduzierung des Bio-Abfalls in den Mietanlagen zu testen. Immerhin verputzt eine Legehenne pro Jahr locker bis zu 150 Kilogramm. Das Projekt hat aber auch einige positive Nebeneffekte. „Für Senioren kann das ein schönes Hobby sein,“ so Gottwald, „und Kinder können hier Verantwortung lernen und Biologie am lebendigen Objekt studieren“. Früher sei schließlich die Haltung von Nutztieren in den Städten alltäglich gewesen, heutzutage hätten Stadtkinder kaum noch Kontakt zur Tierwelt.

Jens Gottwald, Geschäftsführer der Baugesellschaft Hanau (links), mit dem Frankfurter Star-Architekten Stefan Forster und einem verkleinerten Modell des geplanten Hühnerstalls

Die Baugesellschaft lässt sich bei diesem Projekt von Fachleuten beraten. Entschieden wurde auch schon, welche Geflügelsorte eingesetzt werden soll. Die Wahl ist schließlich auf Hühner der Rasse „Zwerg-Welsumer“ gefallen. Sie zeichnen sich durch eine hohe Legeleistung – übrigens trotz des Namens keineswegs Mini-Eier – und eine massive Robustheit aus. Dank ihres unkomplizierten Wesens gewöhnen sie sich schnell an Menschen und gelten als genügsame und ausgezeichnete Futterverwerter, wodurch sie mit Blick auf den Bio-Abfall natürlich besonders interessant werden.

Eins wird es allerdings nicht geben: Die Hennen müssen auf einen Hahn verzichten. „Wir wollen ja nicht in die Hühnerzucht einsteigen“, so Gottwald schmunzelnd, „und außerdem sollen die Mieter und Nachbarn auch weiterhin selbst entscheiden, wann sie morgens geweckt werden möchten“. Wer in Hanau also einen leibhaftigen Gockel sehen will, muss die Brüder Grimm Festspiele besuchen, mit denen die Stadt alljährlich ihre größten Söhne ehrt. In diesem Jahr gibt es dort unter anderem die Bremer Stadtmusikanten, bei denen bekanntlich auch ein Hahn eine Hauptrolle spielt.

Für das Mieterprojekt sollen allerdings die als besonders robust geltenden Hühner der Rasse „Zwerg-Welsumer“ genutzt werden

Die Baugesellschaft Hanau ist eines der größten kommunalen Unternehmen der Wohnungswirtschaft im Rhein-Main-Gebiet. Sie ist schon mehrfach mit innovativen Projekten aufgefallen. Etwa durch den Bau von Hybrid-Wohnanlagen, bei denen vorgefertigte Holz- und Betonteile eingesetzt werden und so die Bauzeit massiv reduziert wird. Oder durch das Projekt „Hafentor“ wo aus einer maroden großen Wohnanlage am Hanauer Mainhafen eine Kolonie mit preiswertem Wohnraum ab 3,50 Euro pro Quadratmeter, Künstlerateliers und kostengünstigen Wohnungen zum Selbstausbau entstanden ist. Der Einsatz des kommunalen Unternehmens und der massive Wohnungsbau auf den ehemaligen Kasernengeländen der US-Army haben dafür gesorgt, dass die Stadt im angespannten Wohnungsmarkt des Rhein-Main-Gebietes niedrige Durchschnittsmieten ausweist. Eine Folge davon ist, dass die Brüder-Grimm-Stadt Hanau massiv wächst und in Kürze die Grenze von 100.000 Einwohnern überschreiten wird – und dank des Hühnerprojektes der Baugesellschaft nun auch die Zahl der gefiederten Stadtbewohner ansteigt.

Auf dem Titelfoto: Zumindest bei den jüngsten Mietern scheint das Projekt schon prima anzukommen

Fotos: Baugesellschaft Hanau (BGH)

⇒www.hanau-aktuell.com

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