„Lazy Daddies“ und die Demokratie der 50er Jahre an der HoLa

(pm/ea) – 60 Jahre nach den ersten Jazzklängen an der Hohen Landesschule war die Atmosphäre wieder greifbar nahe und manches feuchte Auge der anwesenden Zeitzeugen erinnerte an die stille Revolution innerhalb der Mauern des ehrwürdigen Gymnasiums.

Vor einem großen Auditorium führte der Referent Werner Bayer im dritten Vortrag der Reihe „60 Jahre Jazz an der Hohen Landesschule“ durch die Zeitgeschichte der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Allgemeinen und berichtete über die 1956 entstandene erste Jazzband „Lazzy Daddies“ der Hohen Landesschule im Speziellen. Das Murmeln der Zuhörer bestätigte die Not der geschundenen Nachkriegsfamilien im Gegensatz zu den Relikten des wohlhabenden „American way of Life“, der von den tausenden amerikanischen Soldaten der Besatzungsarmee im Großraum Hanau präsentiert wurde. Die Bemühungen der amerikanischen Militärregierung, die deutsche Nachkriegsgeneration auf den Kurs „Demokratie“ umzuleiten, trafen auf eine zähe Bereitschaft der älteren Generation, während die Jugend spontan die „Diktatur“ mit ihrer Bevormundung über Bord warf. Diese jugendliche Motivation wurde von der Musik des amerikanischen Militärsenders „AFN“ gefördert und bahnte mit dem Jazz einen der Wege in die Freiheit.

Die Lehrerschaft der HoLa war 1956 in dieser Einstellung geteilt und offenbarte bei einigen immer wieder Verhaltensmuster der Hitlerzeit. Zu dieser Spezies zählte der Musiklehrer Heinrich Heun, der seine Aufgabe in der Verteidigung der abendländischen Musikkultur gegen die „Niggermusik“ sah. Wie Bayer in seinem Vortrag zeigte, stand Heun auf verlorenem Posten. Er unterschätzte die Stärke der Motivation, die generell aus der Musik erwächst, unabhängig von einer Stilistik. Einer der in der Folgezeit zu den großen Repräsentanten der klassischen Musik erwuchs, der Hanauer Bäckerssohn aus der Glockenstraße, Hans-Georg Bach, verdankte seiner Motivation zum Jazz – sein  Vorbild war Klaus Gisha von den Gisha-Brothers – seine musikalische Entwicklung, die beim Berliner Radiosymphonieorchester als Soloklarinettist zur vollen Blüte gelangte. Auch die anderen Bandkollegen neben Hans-Georg Bach aus der Gründerband „Lazy Daddies“ – Dr. Dieter Schrammn (p), Wolfgang Koffler (tp), Gunther Puth (tb) und Hans Federmann (dr) profitierten auf ihrem Lebensweg immer wieder vom Jazz.

1956 sprengte der Jazz mit seinen Protagonisten der „Lazy Daddies“ die Vorstellung der damaligen Musikkultur in Hanau und bahnte in einer stillen Revolution – ohne Drogen und ohne Kriminalität – den Weg für weitere sechs Jazz-Formationen innerhalb einer Dekade, sowohl in der Schulerziehung wie auch im gesellschaftlichen Leben. So entstanden in der Folge weitere Jazzformationen an der HoLa – Sugarfoot Stompers, Happy Wanderers, Peanut Crackers, Dixie Kids, New Jazz Quintett und die Lazy Ladykillers.

Jörg Pramschüfer

In einem zweiten Referat zeichnete Jörg Pramschüfer am gleichen Vortragsabend die relativ kurze Bandgeschichte der letzten Hola-Jazzband „Lazy Ladykillers“ aus der Zeit Anfang der 60er Jahre auf, deren Nachwirkung noch heute im Büdinger Raum in der Person des Trompeters Pramschüfer zu hören ist.

Am 21. Februar, im fünften und sechsten Vortrag der Reihe „60 Jahre Jazz an der Hola“, schreibt der Ehrenvorsitzenden des Hanauer Geschichtsvereins 1844 e.V. – Dr. Eckhard Meise – als Bandleader der ehemaligen Jazzformationen „Happy Wanderers“ und „Peanut Crackers“ die faszinierende Hanauer Jazzband-Geschichte im Philipp-Ludwig-Forum der Hohen Landesschule weiter.

Auf dem Titelfoto: Werner Bayer

Fotos: PM

Anzeige